Donnerstag, 6. Februar 2014

NUNEZ DE BALBOA: TEIL 3: DER GROSSE MOMENT

De Balboa dachte: Nun wird alles gut. Doch er hatte sich gewaltig verrechnet. Schon waren die Häscher unterwegs, um ihn einen Kopf kürzer zu machen oder nach Spanien zu bringen, was auch nicht viel besser war. Also Flucht nach vorne!
"Nur eine Form der Flucht ist hier am Ende der bewohnten Welt für ihn möglich, die Flucht in eine grandiose Tat, die Flucht in die Unsterblichkeit."
Also erklärt er kurzerhand seinen Leuten, er werde die Landenge überschreiten, und fragt, wer ihm folgen wolle. 190 Mann (das sind fast alle) sind dabei! Am 1. 9. 1513 ging es los. Die Männer fahren zunächst von Darien zu der Provinz Coyba mit 10 Kanus. Bewaffnet sind sie mit Schwertern, Speeren, Arkebusen und Armbrüsten, einige Bluthunde dürfen auch mitfahren. Der Kazike Careta stellt seine Indios als Lasttiere und Führer zur Verfügung. Ein netter Häuptling!
"...am 6. September beginnt jener ruhmreiche Marsch über den Isthmus, der selbst an die Willenskraft so verwegener und erprobter Abenteurer ungeheure Anforderungen stellt."
Die Gegend war alles andere als "lieblich":
"In erstickender, erschlaffender Äquatorglut müssen die Spanier zuerst die Niederungen durchqueren, deren sumpfiger, fieberschwangerer Boden noch Jahrhunderte später beim Bau des Panamakanals viele Tausende hingemordet hat."
"...dann brechen wieder plötzlich orkanische Regengüsse herab, kleine Bäche werden im Nu zu reißenden Flüssen..."
Viele geben auf. Dann wird das Gelände besser. Es geht bergauf und der Urwald lichtet sich.
"...schon erhebt sich vor ihnen der Kamm des Gebirges, von dessen Gipfel man nach der Aussage der indianischen Führer beide Ozeane, den Atlantischen und den noch unbekannten und unbenannten Pazifischen überblicken kann."
Da-wie aus dem Nichts-tauchen feindliche Eingeborene auf. Doch De Balboa war Profi in Sachen böser Indios. Eine Salve genügte und keiner der Heiden ward mehr gesehen! Einige Gefangene werden den Hunden vorgeworfen.
Mit den verbliebenen 67 Mann marschiert er weiter und erklimmt einen Gipfel, von dem aus, so einer der Eingeborenen (denen grundsätzlich nicht über den Weg zu trauen ist), das noch unbekannte MAR DEL SUR zu sehen ist.
"Gegen zehn Uhr morgens sind sie dem Gipfel nahe. Nur eine kleine kahle Kuppe ist noch zu erklimmen, dann muß der Blick sich ins Unendliche weiten."
Mit spanischem Pathos geht er die letzten Schritte allein:
"Langsam, pochenden Herzens, steigt er empor, die Fahne in der Linken, das Schwert in der Rechten, einsame Silhouette in dem ungeheuren Rund. Langsam steigt er empor, ohne sich zu beeilen, denn das wahre Werk ist schon getan. Nur ein paar Schritte noch, weniger, immer weniger, und wirklich, nun da er am Gipfel angelangt ist, eröffnet sich vor ihm ungeheurer Blick. Hinter den abfallenden Bergen, den waldig und grün niedersinkenden Hügeln, liegt endlos eine riesige, metallen spiegelnde Scheibe, das Meer, das Meer, das neue, das unbekannte, das bisher nur geträumte und nie gesehene, das sagenhafte, seit Jahen und Jahren von Kolumbus und allen seinen Nachfahren vergebens gesuchte Meer, dessen Wellen Amerika, Indien und China umspülen. Und Vasco Nunez de Balboa schaut und schaut und schaut, stolz und selig in sich das Bewußtsein eintrinkend, daß sein Auge das erste eines Europäers ist, in dem sich das unendliche Blau dieses Meeres spiegelt."
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Nach Stefan Zweig.
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EL KONQUISTADOR

Montag, 3. Februar 2014

VASCO NUNEZ DE BALBOA: TEIL 2

DE BALBOA herrschte jetzt über Urwald, Moskitos und Eingeborene. Dummerweise hatte er es sich mit Spanien gewaltig verscherzt. Er wußte jedoch: Das einzige, was Spanien interessierte, war Gold. Also mußte er sich welches besorgen. Er tut also das Naheliegende und beklaut zusammen mit PIZARRO die Eingeborenen. Einer von den Kaziken bietet DE BALBOA sogar seine Tocher an (netter Zug von ihm!), um ihn zu besänftigen. Die Rechnung geht auf. DE BALBOA findet so- wie rührend!- die große Liebe! Ein anderer Kazike namens COMAGRE lädt DE BALBOA zu sich ein und schenkt ihm 4000 Unzen Gold! Als sich die Spanier um das Gold balgen, ist der Häuptling sehr verwundert, weil sie sich wegen des gelben Metalles solchen Unbequemlichkeiten unterzögen. Er erzählt ihnen von einer großen See hinter den Bergen, in die Flüsse fließen, die Gold führen. Dort lebe ein Volk, das reich an Gold sei. Der Weg sei nur wenige Tagesreisen weit. Überflüssig zu betonen, daß die Spanier ganz "hin und weg" waren von diesen Aussichten auf plötzlichen Reichtum. Wahrscheinlich wollte der clevere Kazike die Spanier einfach nur los sein, hoffend, daß sie unterwegs auf der Strecke blieben.
DE BALBOAS Gedanken überschlugen sich nun: Endlich eine Spur von dem sagenhaften Goldland und ein Hinweis auf einen weiteren Ozean. Vielleicht sogar die Entdeckung des Weges um den Erdball! Endlich reich und berühmt! Nichts wie hin! Damit würde er sich von aller Schuld loskaufen. Er mußte als erster den Isthmus überqueren und zum MAR DEL SUR kommen, von dort aus wäre es nicht mehr weit nach Indien. Von nun an schrieb DE BALBOA Geschichte.
Zuerst schickt er ein Geldgeschenk zum königlichen Schatzhalter auf Espanola mit der bescheidenen Bitte, ihn zum Generalkapitän zu machen. Dann sendet er Boten nach Spanien mit einer nicht weniger bescheidenen  Anfrage: Er brauche "nur" 1000 Mann! Dafür werde er auch sogleich das neue Meer entdecken und das Goldland erobern. Was Kolumbus versprochen, aber nicht erfüllt habe, werde er, DE BALBOA, prompt erledigen.
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AUS: Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit.
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Arriba! Fuego!