Dienstag, 25. September 2012

EWIGE WAHRHEITEN 3: FREUND SCHOPENHAUER SPRICHT:

1.) Es ist sogar gefährlich, früher über einen Gegenstand zu lesen, als man selbst darüber nachgedacht hat.
2.) Daher...trägt das Gesicht manches Gelehrten von seinen vielen Studien keine anderen Spuren als die der Erschöpfung und Abnutzung durch übermäßige, erzwungene Anstrengung des Gedächtnisses zu widernatürlicher Anhäufung toter Begriffe: dabei sieht ein solcher oft so einfältig, albern und schafmäßig darein, daß man glauben muß, die übermäßige Anstrengung der dem Abstrakten zugewendeten, mittelbaren Erkenntniskraft bewirke direkte Schwächung der unmittelbaren und anschauenden und der natürliche, richtige Blick werde durch das Bücherlicht mehr und mehr geblendet. Allerdings muß das fortwährende Einströmen fremder Gedanken die eigenen hemmen und ersticken, ja auf die Länge die Denkkraft lähmen...
(So tragen viele "Geistesmenschen" Züge von Vertrottelung an sich. Ich hatte einen Kommilitonen, der benahm sich im ersten Semester schon wie sein eigener Großvater. Seine Redeweise war wie aus einem Spätdialog Platons. Eine andere war völlig humorlos und "staubkeksartig". Ein Assistent war nahe an der Schwelle zum reinen Geist. Er irrlichterte manchmal völlig entrückt durch die Mensa.)
3.) Ja die meisten Menschen haben...den Vorsatz, mit dem kleinstmöglichen Aufwand von Gedanken auszukommen; weil ihnen das Denken eine Last und Beschwerde ist. Demgemäß denken sie nur knapp so viel, wie ihr Berufsgeschäft schlechterdings nötig macht, und dann wieder so viel, wie ihre verschiedenen Zeitvertreibe, sowohl Gespräche als Spiele, erfordern, die dann aber beide darauf eingerichtet sein müssen, mit einem Minimo von Gedanken bestritten werden zu können.
4.) Daher ist in allen Ländern die Hauptbeschäftigung aller Gesellschaft das Kartenspiel geworden...Weil sie nämlich keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus...
5.) Dies alles kommt daher, daß der große Haufe gar wenig denkt...
6.) Jeder hält das Ende seines Gesichtskreises für das der Welt...
7.) Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d.h. die unermeßliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil getan: und so wird es denn auch ferner bleiben...
8.) Zu dieser (=die Beleidigung) fühlt daher die niedrige Natur sogar instinktive Aufforderung, sobald sie geistige Überlegenheit zu spüren anfängt."
9.) Denn darüber täusche man sich nicht, daß zu allen Zeiten, auf dem ganzen Erdenrunde und in allen Verhältnissen eine von Natur selbst angezettelte Verschwörung aller mittelmäßigen, schlechten und dummen Köpfe gegen Geist und Verstand existiert. (sozusagen eine "Verschwörung der Idioten", s. auch den berühmten Roman)
10.) So geschieht es, daß die Erziehung schiefe Köpfe macht...(im wahrsten Sinne des Wortes: mehrere meiner Schüler haben in der Vergangenheit oft abenteuerliche Zuckungen mit dem Kopf vollführt!)
11.)...weil alles Anschauliche viel fester haftet als das bloß in abstracto Gedachte oder gar nur Worte. Darum behalten wir so sehr viel besser, was wir erlebt, als was wir gelesen haben.
12.) Denn die ganze Welt der Reflexion ruht und wurzelt auf der anschaulichen Welt.
13.) Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst, wer ihr alles opfert, noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
(gerichtet an all die Unwürdigen)
14.) Ein Gelehrter ist, wer viel gelernt hat; ein Genie der, von dem die Menschheit lernt, was er von keinem gelernt hat.
15.) Das Genie ist sein eigener Lohn: denn das Beste, was einer ist, muß er notwendig für sich selbst sein.
16.) Denn wo ein Lebendes atmet, ist gleich ein anderes gekommen, es zu verschlingen, und ein jedes ist durchweg auf die Vernichtung eines anderen wie abgesehn und berechnet, sogar bis auf das Speziellste herab.
(So ist die Welt!)
17.) Im Grunde entspringt dies daraus, daß der Wille an sich selber zehren muß, weil außer ihm nichts da ist und er ein hungriger Wille ist. Daher die Jagd, die Angst und das Leiden.
18.) Sogar an Abrichtungsfähigkeit übertrifft der Mensch alle Tiere.
19.) Die meisten Menschen sind so subjektiv, daß im Grunde nichts Interesse für sie hat, als ganz allein sie selbst. Daher kommt es, daß sie bei allem, was gesagt wird, sogleich an sich denken...
20.) Diesem allen zufolge steht die Geselligkeit eines jeden ungefähr im umgekehrten Verhältnisse seines intellektuellen Wertes, und "er ist ungesellig" sagt beinahe schon "er ist ein Mann von großen Eigenschaften".
Dem intellektuell hochstehenden Menschen gewährt nämlich die Einsamkeit einen zwiefachen Vorteil: erstlich den, mit sich selber zu sein, und zweitens den, nicht mit andern zu sein. Diesen letzteren wird man hoch anschlagen, wenn man bedenkt, wieviel Zwang, Beschwerde und selbst Gefahr jeder Umgang mit sich bringt.
(Diesen tiefen Gedanken möchte ich geradezu mein "Glaubensbekenntnis" nennen. Man kann sich vor Menschen nicht genug in acht nehmen!)
All' unser Übel: nicht allein sein zu können, sagt LABRUYÈRE.
Geselligkeit gehört zu den gefährlichen, ja, verderblichen Neigungen, da sie uns in Kontakt bringt mit Wesen, deren große Mehrzahl moralisch schlecht und intellektuell stumpf oder verkehrt ist. Der Ungesellige ist einer, der ihrer nicht bedarf. An sich selbst soviel zu haben, daß man der Gesellschaft nicht bedarf, ist schon deshalb ein großes Glück, weil fast alle unsere Leiden aus der Gesellschaft entspringen, und die Geisterruhe, welche, nächst der Gesundheit, das wesentliche Element unseres Glückes ausmacht, durch jede Gesellschaft gefährdet wird und daher ohne ein bedeutendes Maß von Einsamkeit nicht bestehen kann.
21.) Unnütz zu sein, gehört zum Charakter der Werke des Genies: es ist ihr Adelsbrief...sie allein sind ihrer selbst wegen da, und sind, in diesem Sinn, als die Blüte, oder der reine Ertrag des Daseins anzusehen. Deshalb geht beim Genuß derselben uns das Herz auf: denn wir tauchen dabei aus dem schweren Erdenäther der Bedürftigkeit auf.
Diesem analog sehen wir, auch außerdem, das Schöne selten mit dem Nützlichen vereint.
22.) Die Quelle alles Wohlgefallens ist die Homogeneität. (...)so daß ein Dummkopf die Gesellschaft eines anderen Dummkopfs ungleich lieber ist, als die aller großen Geister zusammengenommen.
23.) Dies alles stimmt damit überein, daß der Geschlechtstrieb der Kern des Willens zum Leben, mithin die Konzentration alles Wollens ist...Ja, man kann sagen, der Mensch sei konkreter Geschlechtstrieb; da seine Entstehung ein Kopulationsakt und der Wunsch seiner Wünsche ein Kopulationsakt ist, und dieser Trieb allein seine ganze Erscheinung perpetuiert und zusammenhält.
24.)Zuvörderst gehört hierher, daß der Mann von Natur zur Unbeständigkeit in der Liebe, das Weib zur Beständigkeit geneigt ist...Daher sieht er sich stets nach andern Weibern um; sie hingegen hängt fest dem einen an: denn die Natur treibt sie, instinktmäßig und ohne Reflexion, sich den Ernährer und Beschützer der künftigen Brut zu erhalten. Demzufolge ist die eheliche Treue dem Manne künstlich, dem Weibe natürlich...
25.) Ist aber dem Dinge an sich, d.h. dem wahren Wesen der Welt, Zeit und Raum fremd; so ist es notwendig auch die Vielheit.
26.) Alle der Philosophie von außen gebotene Hilfe ist, ihrer Natur nach, verdächtig: denn das Interesse jener ist zu hoher Art, als daß es mit dem Treiben dieser niedrig gesinnten Welt eine aufrichtige Verbindung eingehen könnte. Dagegen hat sie ihren Leitstern, der nie untergeht. Darum lasse man sie gewähren...
27.) Geister ersten Ranges werden daher sich nie einer Spezialwissenschaft widmen, denn ihnen liegt die Einsicht in das Ganze zu sehr am Herzen. Sie sind Feldherren, nicht Hauptleute, Kapellmeister, nicht Orchesterspieler...Vielmehr ist er offenbar auf das Ganze gerichtet: sein Streben geht auf die Gesamtheit der Dinge, die Welt überhaupt...(an alle Mikrologen und Erbsenzähler!)
(dies werde ich in einem irgendwann noch zu schreibenden Aufsatz mit dem Thema "Über das Ganze der Dinge" behandeln)
28.) Bloße Schlauheit befähigt wohl zum Skeptikus, aber nicht zum Philosophen.
29.) Nur der höchste, Alles (sic) übersehende und in Rechnung bringende Standpunkt kann absolute Wahrheit liefern. (siehe auch mein essays "Vom höchsten Standpunkt" und "Die olympische Schau"; leider noch nicht erschienen)
30.) Überhaupt mache ich die Aufforderung, daß wer sich mit meiner Philosophie bekannt machen will, jede Zeile von mir lese. (Na dann, mal los!)
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E.


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